13.04.07, 17:00

Biometrische Fahndung
Big Brother dank Personalausweis

Fahndung mit digitalen Ausweisbildern lässt den Überwachungsstaat näherrücken. Die nötigen Technologien zur Gesichtserkennung werden bereits erprobt.
Von FOCUS-Online-Autorin Christiane Schulzki-Haddouti

Eigentlich sollen Fotos und Fingerabdruck in Ausweisen für fälschungssichere Dokumente sorgen. Gespeichert sind die Daten bislang nur auf einem im Ausweis integrierten Chip. Dass die Daten nun in einer zentralen oder dezentralen Datei gespeichert werden sollen, galt bislang als ausgeschlossen. Doch die Bundesregierung will digitale Ausweisbilder künftig für Fahndungszwecke nutzen.

Passfoto-Fahndung:
Datenschützer lehnen Schäubles Plan ab. Aus gutem Grund: Die Passfotos lassen sich inzwischen für weit mehr verwenden als nur für einen Fahndungsaufruf. Wurde das Bild für den elektronischen Pass erstellt, lassen sich die besonderen Merkmale des Gesichts von einer Software erfassen und auswerten. Dieses biometrische Profil lässt sich dann mit anderen Profilen per Knopfdruck abgleichen. Das Bild dient damit einer erkennungsdienstlichen Erfassung der gesamten Bevölkerung.

Passantenüberwachung auf der Rolltreppe
Das Bundeskriminalamt testete im Winter bereits mit einem Video-Gesichtserkennungsprojekt im Mainzer Hauptbahnhof, ob sich bestimmte Personen anhand ihrer biometrischen Daten aus einer sich relativ schnell bewegenden Menschenmenge herausfiltern lassen. Sechs Kameras erfassten zwölf Wochen lang Passanten auf einer Rolltreppe und einem Teil der Steintreppe in der Eingangshalle des Mainzer Hauptbahnhofes und glichen dabei ihre erfassten Gesichtsmerkmale mit denen von 200 Freiwilligen ab.
Der Test soll ein Erfolg gewesen sein – genaue Ergebnisse legte die Behörde allerdings nicht vor. Gleichwohl scheint er die Hoffnungen genährt zu haben, auf diese Weise biometrische Personenfahndungen durchführen zu können, was das neue Gesetz nun rechtlich ermöglichen soll. Mit dem biometrischen Steckbrief eines Gesuchten könnten die 5300 Passregister der Republik flott durchforstet werden.

Nur fünf Prozent Fehlerquote

Brian Lovell, zuständiger Wissenschaftler für intelligente Bildverarbeitung an der Universität von Queensland, weiß, dass aktuelle Gesichtserkennungstechniken mit Fotografien in Passqualität bereits eine Erkennungsgenauigkeit von 95 Prozent erzielen können. Er arbeitet derzeit an einem System, das mehrere Gesichter in einer Videosequenz erkennen kann.
Auch verschiedene Gesichtsstellungen können dabei berücksichtigt werden. Dabei soll das System bereits gute Erkennungsraten über ein breites Spektrum von Kopfhaltungen und unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnissen liefern.
Dreidimensionale Gesichtserkennungssysteme mit wesentlich besserer Erkennungsqualität setzt bereits die Polizei in Tokio an Bahnhöfen und anderen Brennpunkten ein. Die Geräte, die in Sekundenbruchteilen ein dreidimensionales Bild der Zielperson aufnehmen und mit gespeicherten zweidimensionalen Bildern vergleichen, erzielen nach Angaben von Hersteller NEC bereits Erkennungsraten von 96 Prozent. Allerdings verschlechtert sich die Erkennungsleistung um zehn bis 20 Prozent, wenn sich Lichtverhältnisse und Gesichtsausdruck ändern.

Verdächtiges Verhalten automatisch erkennen

Forscher arbeiten bereits an Systemen, die nicht nur Leute erkennen, sondern gleichzeitig auch ihr Verhalten auswerten sollen. Am australischen Nationalen Forschungsinstitut für Informations- und Kommunikationstechnologie befasst sich Forschungsdirektor Chris Scott mit der Frage, wie solche Systeme für präventive Aufgaben eingesetzt werden können: „Wir arbeiten an Algorithmen, um nicht nur auf der Grundlage der Gesichtserkennung nach einer Person zu suchen, sondern um den Bedrohungsgrad zu analysieren, den man vom aktuellen Verhalten der Person ableiten kann.“
Derart intelligente Auswertungssysteme sollen bereits in New York zum Einsatz kommen. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe erteilten kurz nach den Bombenattentaten in London einen 212 Millionen US-Dollar schweren Auftrag an das Rüstungsunternehmen Lockheed Martin, um das U-Bahnnetz mit einem intelligenten Videoüberwachungssystem auszurüsten.

Virtuelle Überwachungsdatei schon Realität
Auch wenn das Passgesetz noch eine bundesweite Datei verbietet, die derartige Anwendungen bundesweit unterstützen könnte, wird der einfache Online-Zugriff bald die Forderung nach weitergehenden Nutzungen hervorrufen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar jedenfalls befürchtet, dass mit dem Online-Zugriff schon jetzt „virtuell eine große Datei der Passbilder entsteht, auch wenn sie räumlich auf mehr als 5000 kommunale Stellen verteilt ist“.