Beschluss vom 26. 6. 2002 - 1 BvR 670/ 91
Bundesverfassungsgericht
Das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und
2 GG bietet keinen Schutz dagegen, dass sich der Staat und seine Organe mit den
Trägern dieses Grundrechts sowie ihren Zielen und Aktivitäten öffentlich
- auch kritisch - auseinander setzen. Diese Auseinandersetzung hat allerdings
das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates zu wahren
und muss daher mit Zurückhaltung geschehen. Diffamierende, diskriminierende
oder verfälschende Darstellungen einer religiösen oder weltanschaulichen
Gemeinschaft sind dem Staat untersagt.
Die Bundesregierung ist aufgrund ihrer Aufgabe der Staatsleitung überall
dort zur Informationsarbeit berechtigt, wo ihr eine gesamtstaatliche Verantwortung
zukommt, die mit Hilfe von Informationen wahrgenommen werden kann.
Für das Informationshandeln der Bundesregierung im Rahmen der Staatsleitung
bedarf es über die Zuweisung der Aufgabe der Staatsleitung hinaus auch dann
keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung, wenn es zu mittelbar-faktischen
Grundrechtsbeeinträchtigungen führt.
1
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des D … e. V., des
O … e. V., des L … e. V., des W … e. V., des O … e. V.,
- Bevollmächtigte: 1. 13. März Rechtsanwalt Christian Gambke, Maria-Eich-Straße
52, 82166 Gräfelfing, 2. Rechtsanwalt Dr. Peter Becker, Gisonenweg 9, 35037
Marburg - gegen a) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1991 - BVerwG
7 B 99. 90 -, b) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 22. Mai 1990 - 5 A 1223/ 86 -, c) das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln
vom 31. Januar 1986 - 10 K 5029/ 84 - hat das Bundesverfassungsgericht - Erster
Senat - unter Mitwirkung des Präsidenten Papier, der Richterinnen Jaeger,
Haas, der Richter Hömig, Steiner, Richterin Hohmann-Dennhardt, und der Richter
Hoffmann-Riem, Bryde am 26. Juni 2002 beschlossen:
2
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
22. Mai 1990 - 5 A 1223/ 86 - verletzt die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten
aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben, soweit die
Klage der Beschwerdeführer hinsichtlich der Attribute "destruktiv",
"pseudoreligiös" und des Vorwurfs der Mitgliedermanipulation abgewiesen
worden ist.
3
Damit wird der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 1991
- BVerwG 7 B 99. 90 - insoweit gegenstandslos.
4
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
5
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
6
Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführern die Hälfte der
im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
7
Gründe: A. Die Verfassungsbeschwerde betrifft Äußerungen der Bundesregierung
über die Bewegung des Rajneesh Chandra Mohan und die ihr angehörenden
Gemeinschaften.
8
I. Seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts traten in der Bundesrepublik
Deutschland vorher unbekannte Gruppierungen in Erscheinung, die alsbald das Interesse
der Öffentlichkeit fanden und zumeist als "Sekten", "Jugendsekten",
"Jugendreligionen", "Psychosekten", "Psychogruppen"
oder ähnlich bezeichnet wurden. Wegen ihrer nach eigenem Verständnis
überwiegend religiös oder weltanschaulich geprägten Zielsetzungen,
ihrer inneren Struktur und ihrer Praktiken im Umgang mit Mitgliedern und Anhängern
wurden sie schnell Gegenstand kritischer öffentlicher Auseinandersetzung.
Vorgeworfen wurde den genannten Gruppen dabei vor allem, dass sie ihre Mitglieder
von der Außenwelt abschotteten, insbesondere der eigenen Familie entfremdeten,
psychisch manipulierten und finanziell ausbeuteten. Das führe zum Abbruch
von Ausbildungen, zu Verstößen gegen arbeits- und sozialrechtliche
Vorschriften, zur Abhängigkeit der Mitglieder von der jeweiligen Gruppierung
und zu schweren seelischen Schädigungen vor allem jugendlicher Personen.
9
Das Phänomen dieser Gruppierungen und der hinter ihnen stehenden Bewegungen
beschäftigte seit den siebziger Jahren auch die Regierungen in Bund und Ländern,
die sich in Antworten auf parlamentarische Anfragen mehrfach zur Problematik dieser
Gruppen äußerten und in Broschüren, Presseverlautbarungen und
Vorträgen die Öffentlichkeit auch unmittelbar darüber informierten.
1996 beschloss der Deutsche Bundestag, einer Empfehlung seines Petitionsausschusses
folgend, die Einsetzung einer Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen"
(vgl. BTDrucks 13/ 4477). Diese legte 1997 einen Zwischenbericht (vgl. BTDrucks
13/ 8170) und 1998 ihren Endbericht (vgl. BTDrucks 13/ 10950) vor. In dessen Vorwort
ist unter anderem ausgeführt:
10
Die Enquete-Kommission wurde mit Befürchtungen von … Bürgern über
die Gefahren von "sogenannten Sekten" ebenso konfrontiert wie mit der
Besorgnis vieler Gemeinschaften, als "schadensbringende Sekte" etikettiert
und entsprechend behandelt zu werden. Die Kommission … wendet sich …
gegen eine pauschale Stigmatisierung solcher Gruppen und lehnt die Verwendung
des Begriffs "Sekte" wegen seiner negativen Konnotation ab. Die Ablehnung
des Begriffs "Sekte" wird auch durch das Ergebnis der Arbeit der Enquete-Kommission
unterstützt, daß nur ein kleiner Teil der Gruppierungen, die bislang
unter dem Begriff "Sekte" zusammengefaßt wurden, problematisch
sind. Daher wäre eine weitere Verwendung des Sektenbegriffs für alle
neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften fahrlässig. …
11
Unsere Gesellschaft ist von religiösem Pluralismus geprägt. Neben den
Gemeinschaften großer Weltreligionen existieren … kleinere Gruppen
unterschiedlichster Glaubensausrichtungen. Dieser Sachverhalt allein … veranlaßt
den Staat nicht zum Handeln. Vielmehr hat der Staat die Entscheidung eines jeden
Einzelnen und sein Bekenntnis zu dem von ihm gewählten Glauben zu respektieren.
Aber: Wo Gesetze verletzt werden, wo gegen Grundrechte verstoßen wird, wo
gar unter dem Deckmantel der Religiosität strafbare Handlungen begangen werden,
kann der Staat nicht untätig bleiben.
12
Unterhalb dieser Schwelle zwingend notwendiger staatlicher Eingriffe ist der Staat
… zu flankierender Hilfe aufgerufen. So wenig er Vorschriften für individuelle
Lebensformen geben darf, so sehr kann er seine … Bürger in einer unübersichtlich
gewordenen und sich schnell verändernden Welt durch Information und Aufklärung
in ihren Entscheidungsfindungen unterstützen (a. a. O., S. 4 f.).
13
Im Bericht selbst heißt es: Während der Arbeit der Kommission wurde
immer deutlicher, daß eine pauschalisierende Herangehensweise, die sich
des Begriffs "Sekte" als Oberbegriff für alle Formen neuer …
Art von Religiosität und/ oder Weltanschauung bedient, der Vielfalt der Phänomene
… nicht gerecht werden kann … Die Verwendung des populären, aber
nebulösen "Sekten" -Begriffs … kann zu Stigmatisierungseffekten
führen. Einer religiösen oder weltanschaulichen Gruppe, die öffentlich
als "Sekte" eingeordnet wurde, entstehen angesichts der hohen Aufmerksamkeit
der Öffentlichkeit gegenüber der vermuteten Konfliktträchtigkeit
von "Sekten" vielfältige Probleme … (a. a. O., S. 30).
14
Speziell für Aufklärungsschriften staatlicher Stellen wird schließlich
empfohlen: In Anbetracht der … Unschärfe und Mißverständlichkeit
des Begriffes der "Sekte" hält es die Enquete-Kommission für
wünschenswert, wenn im Rahmen der öffentlichen Auseinandersetzung mit
neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen auf die
… Verwendung des Begriffes "Sekte" verzichtet würde. Insbesondere
in Verlautbarungen staatlicher Stellen - sei es in Aufklärungsbroschüren,
Urteilen oder Gesetzestexten - sollte … die Bezeichnung … vermieden
werden (a. a. O., S. 154 unter 6. 2. 12).
15
II. Die Beschwerdeführer sind - jeweils in der Rechtsform eines eingetragenen
Vereins des bürgerlichen Rechts - Meditationsvereine der so genannten Shree
Rajneesh-, Bhagwan- oder Osho-Bewegung des von seinen Anhängern erst Bhagwan,
später Osho genannten indischen Mystikers Rajneesh Chandra Mohan (zu ihm
und den Zielen seiner Bewegung vgl. etwa Süss, Osho-Bewegung, in: Klöcker/
Tworuschka, Handbuch der Religionen: Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften
in Deutschland, Abschnitt VIII-8 [Stand: 2001]). Im verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahren
verlangten sie von der Bundesrepublik Deutschland die Unterlassung bestimmter
Äußerungen über diese Bewegung und die ihr angehörenden Gemeinschaften.
16
1. Den Anlass zur Klageerhebung gaben Antworten der Bundesregierung auf drei Kleine
Anfragen, die im Deutschen Bundestag gestellt worden waren, ein Bericht der Bundesregierung
an den Petitionsausschuss des Bundestags und eine Rede, die der damalige Bundesminister
für Jugend, Familie und Gesundheit auf einer Tagung der Jungen Union Bayern
und einer "Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und
religiösen Extremismus" gehalten hatte.
17
In der Antwort vom 27. April 1979 (BTDrucks 8/ 2790) zum Thema "Neuere Glaubens-
und Weltanschauungsgemeinschaften (sogenannte Jugendsekten)" wurde neben
anderen die "Shree Rajneesh-Bewegung" zu den so genannten neueren Religions-
und Weltanschauungsgemeinschaften gezählt. Diese würden, so ließ
die Bundesregierung die Fragesteller wissen, mit generalisierenden Begriffen wie
"Jugendsekten", "destruktive religiöse Gruppen" oder
"destructive Cults" gekennzeichnet. Die Bundesregierung selbst verwandte
für sie die Bezeichnungen "Jugendsekten", "pseudoreligiöse
und Psycho-Gruppen" sowie durchgängig "Sekten" (vgl. a. a.
O., insbesondere S. 1 f.).
18
In ihrem Bericht an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags über
"Jugendreligionen in der Bundesrepublik Deutschland" vom Februar 1980,
als Band 21 der Reihe: Berichte und Dokumentationen des Bundesministers für
Jugend, Familie und Gesundheit veröffentlicht, wies die Bundesregierung einleitend
darauf hin, dass mit "Jugendreligionen" oder "Jugendsekten"
sehr verschiedenartige Gruppierungen angesprochen würden (vgl. a. a. O.,
S. 6). Als eine dieser Gruppierungen wurde die "Gruppe um 'Bhagwan' (d. h.
Gott) Shree Rajneesh" vorgestellt und zu den "Psychobewegungen"
gerechnet (vgl. a. a. O., S. 10 f.).
19
In der Antwort, welche die Bundesregierung unter dem 23. August 1982 auf eine
Kleine Anfrage zum Thema "Sogenannte neue Jugendsekten" erteilte (BTDrucks
9/ 1932), wurde die "Bhagwan-Shree-Rajneesh-Bewegung" im Zusammenhang
mit der Frage nach der Mitgliederstruktur der "sogenannten neuen Jugendsekten"
genannt (vgl. a. a. O., S. 6 f.). In der Vorbemerkung zu der Antwort wurde darüber
hinaus von "sogenannten Psychosekten", in der Antwort selbst durchweg
von "Jugendreligionen" gesprochen (vgl. a. a. O., S. 1 ff.).
20
Die Antwort vom 10. Oktober 1984 auf eine weitere Kleine Anfrage betraf "Wirtschaftliche
Aktivitäten von destruktiven Jugendreligionen und Psychosekten" (BTDrucks
10/ 2094). Entsprechend dieser Themenbeschreibung wurden in der Antwort überwiegend
die Begriffe "Jugendreligionen" und "Psychosekten" verwendet
(vgl. a. a. O., vor allem S. 1 f.). Zu Frage 6 wurde ausgeführt, es erscheine
schwer erreichbar, Regelungen des materiellen Arbeitsrechts bei Vereinigungen
zur Geltung zu bringen, "deren Mitglieder weitgehend unter Ausschluß
der Öffentlichkeit in ihrem Verhalten manipuliert werden" (vgl. a. a.
O., S. 4). Die Bhagwan-Bewegung wurde dabei nicht ausdrücklich genannt. Sie
war jedoch Gegenstand der Antworten zu den Fragen 16 bis 19 (vgl. a. a. O., S.
7).
21
In der Rede, die der Bundesminister am 8. Dezember 1984 auf der genannten Tagung
zu dem Thema "Neue Jugendreligionen - Die Freiheit des einzelnen schützen"
hielt und die in der Broschüre Sauter/ Ach/ Sackmann/ Schuster, JUGENDSEKTEN
- Die Freiheit des einzelnen schützen, 1985, S. 11 ff., veröffentlicht
ist, wurden mit Bezug auf die behandelten Gruppen die Begriffe "Jugendreligion",
"Jugendsekte", "Sekte", "destruktive religiöse Kulte",
"Pseudoheilslehren" und "Pseudoreligion" verwendet (vgl. a.
a. O., insbesondere S. 14 f., 21). Die Bhagwan-Bewegung wurde in der Rede selbst
nicht erwähnt. Nach den tatrichterlichen Feststellungen im Ausgangsverfahren
wurde sie jedoch in der anschließenden Diskussion angesprochen.
22
2. Mit ihrer Klage erstrebten die Beschwerdeführer die Verurteilung der Bundesrepublik
Deutschland zur Unterlassung mehrerer der in diesen Darstellungen enthaltenen
Äußerungen.
23
a) Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sie darauf gerichtet
war, es der Beklagten zu untersagen, in amtlichen Verlautbarungen jeder Art die
Rajneesh-Gemeinschaft als "Jugendreligion", "Jugendsekte"
oder "Psychosekte" zu bezeichnen, mit den Attributen "destruktiv"
oder "pseudoreligiös" zu belegen sowie weiterhin öffentlich
zu behaupten, dass Mitglieder dieser Gemeinschaft weitgehend unter Ausschluss
der Öffentlichkeit manipuliert würden. Dagegen hat es die Klage abgewiesen,
soweit außerdem begehrt worden war, der Beklagten auch den Gebrauch der
Bezeichnungen "destruktiver Kult", "Psychokult" und "Sekte"
zu verbieten (vgl. Entscheidungen in Kirchensachen [im Folgenden: KirchE] 24,
S. 10 [17 ff.]):
24
Die Beklagte verwende "Jugendreligion", "Jugendsekte", "Psychosekte",
"destruktiv" und "pseudoreligiös" als disqualifizierende
Begriffe für wesentliche Inhalte des religiösen Bekenntnisses der Beschwerdeführer,
die insoweit unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 GG Unterlassung beanspruchen könnten.
Ein negatives Werturteil stelle auch die Wendung dar, die Mitglieder der neuen
religiösen Bewegungen würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit
manipuliert. Dagegen handele es sich bei der Bezeichnung "Sekte" für
sich genommen nicht um eine abwertende Äußerung über das religiöse
Bekenntnis der Beschwerdeführer.
25
b) Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage in
vollem Umfang abgewiesen und die Anschlussberufung der Beschwerdeführer zu
2 und 4, mit der diese die Abweisung der Klage hinsichtlich des Gebrauchs des
Begriffs "Sekte" angegriffen hatten, zurückgewiesen (vgl. KirchE
28, S. 106 [114 ff.]):
26
Die Beschwerdeführer hätten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen Anspruch
auf Unterlassung der noch streitigen Äußerungen. Sie könnten sich
zwar als inländische juristische Personen auf dieses Grundrecht berufen,
weil sie nach ihrer Satzung der Pflege der Lehre des Osho-Rajneesh dienten und
diese eine Religion oder Weltanschauung sei. Doch seien die mit den Äußerungen
verbundenen Grundrechtseingriffe gerechtfertigt. Die verfassungsrechtliche Legitimation
dafür ergebe sich aus der Aufgabenstellung der Bundesregierung gemäß
Art. 65 GG in Verbindung mit den staatlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2
Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Schranken für die Äußerungen der
Bundesregierung ergäben sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
und dem Willkürverbot, wonach Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden müssten
und Werturteile nicht auf sachfremde Erwägungen zurückgehen und den
sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürften. Werturteile müssten
auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar
gewürdigten Tatsachenkern beruhen.
27
Letzteres sei bei den angegriffenen Äußerungen der Fall. Sie hielten
sich noch in den Grenzen des Beurteilungsspielraums, welcher der Bundesregierung
zukomme. Zu deren Gunsten wirke sich aus, dass die Gefahrenabwehr, der die Äußerungen
gedient hätten, Rechtsgüter betreffe, die nach der Wertordnung des Grundgesetzes
höchsten Rang hätten. Bei ihnen rechtfertige schon ein bloßer
Gefahrenverdacht die Annahme, entsprechende Hinweise und Warnungen seien zu ihrem
Schutz geeignet und erforderlich.
28
c) Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen
die Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen
(vgl. KirchE 29, S. 59 = NJW 1991, S. 1770):
29
Die Sache habe keine grundsätzliche Bedeutung. Nach der schon vorliegenden
Rechtsprechung sei ein Eingriff in die Religions- oder Weltanschauungsfreiheit
durch Äußerungen der in Rede stehenden Art durch die verfassungsrechtliche
Befugnis der Bundesregierung zur Öffentlichkeitsarbeit und ihre ebenfalls
verfassungsunmittelbare Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde und der
Gesundheit der Bürger gerechtfertigt. Die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit
schließe das Recht zur Abgabe appellativer Äußerungen (Warnungen)
ein. Die Bundesregierung sei daher auch berechtigt, das Verhalten einzelner Grundrechtsträger
als gefährlich zu bewerten.
30
Bei der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung gehe es um eine Staatsaufgabe,
die nur tatsächlich, nicht rechtsförmlich erfüllbar sei und bei
deren Wahrnehmung der Staat dem Einzelnen kein - notfalls zwangsweise durchzusetzendes
- Handeln verbindlich aufgebe oder verbiete. In solchen Fällen stehe das
Rechtsstaatsprinzip einem Schluss von der Aufgabe auf die Zulässigkeit von
Individualrechtsbeschränkungen nicht von vornherein entgegen. Dies folge
aus dem jeder Staatsaufgabe innewohnenden Postulat einer wirksamen Aufgabenwahrnehmung
und aus der Vielgestaltigkeit der Eingriffslagen und -wirkungen solchen "informalen"
Staatshandelns. Wenn das Äußerungsrecht der Bundesregierung nicht zu
sehr beschnitten werden solle, erlaube es weder eine Festlegung auf bestimmte
Äußerungsinhalte noch eine nähere Bestimmung der zulässigen
Äußerungszwecke. Inhaltlich könne es nur dahin eingegrenzt werden,
dass die jeweilige Warnung nicht ohne hinreichend gewichtigen, dem Inhalt und
der Bedeutung des berührten Grundrechts entsprechenden Anlass ausgesprochen
werden dürfe, mitgeteilte Tatsachen zutreffen müssten und unsachliche
Abwertungen zu unterbleiben hätten.
31
Die Bundesregierung habe für Warnungen der vorliegenden Art auch die (Verbands-)
Kompetenz. Das folge aus ihrer Aufgabe, als Organ der Staatsleitung gesellschaftliche
Veränderungen zu beobachten und zu prüfen, ob und inwieweit sie staatliche
Reaktionen erforderten. Entsprechende Tätigkeiten könnten nicht unmittelbar
an den Zuständigkeitskatalogen des Grundgesetzes für die Gesetzgebung
und Verwaltung gemessen werden. Ausreichend sei, dass Maßnahmen des Bundes
vorstellbar seien. Für den Bereich der Jugendreligionen ergebe sich dies
aus der Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge
und des Gesundheitswesens.
32
Die Bundesregierung dürfe Warnungen nicht nur zum Schutz der Grundrechte
anderer, sondern auch zum Schutz des Gemeinwohls aussprechen. Deshalb sei die
Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Äußerungen über die
Osho-Bewegung seien zum Schutz der verfassungsrechtlich hervorgehobenen Gemeinschaftsgüter
Ehe und Familie zulässig, nicht zu beanstanden.
33
Die Frage, in welchem Maß bei der Auslegung von Texten einer Religions-
oder Weltanschauungsgemeinschaft deren Selbstverständnis zu beachten sei,
könne, soweit sie entscheidungserheblich sei, ohne weiteres im Sinne des
Berufungsurteils beantwortet werden. Dieses habe sich auf zahlreiche Lehraussagen
von Osho-Rajneesh vor allem zu den Themen Ehe und Familie gestützt und dabei
auf den objektiven Erklärungswert dieser Aussagen für einen in den Angelegenheiten
der Religionsgemeinschaft nicht besonders sachkundigen Dritten abgestellt. Dieser
Ansatz sei zutreffend.
34
Die Revision sei auch nicht wegen Verfahrensfehlern zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht
habe den im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträgen nicht zu entsprechen
brauchen, weil es nach seiner Rechtsauffassung auf die unter Beweis gestellten
Tatsachen nicht angekommen sei. Auch bestünden keine Anhaltspunkte dafür,
dass Vorbringen der Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis genommen worden sei.
35
III. Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen
die genannten gerichtlichen Entscheidungen. Sie rügen vor allem die Verletzung
von Art. 4 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG und tragen dazu im Wesentlichen vor:
36
1. Die Äußerungen der Bundesregierung, durch welche die Beschwerdeführer
und ihre Mitglieder öffentlich als Anhänger einer "pseudoreligiösen",
"destruktiven", die Mitglieder "manipulierenden" "Jugendsekte",
"Jugendreligion" oder "Psychosekte" herabgewürdigt würden,
stellten einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit
dar. Die Beschwerdeführer seien nach ihrem Selbstverständnis Religions-
und Meditationsvereine, die sich durch das Abhalten von Meditationen sowie durch
öffentliche Vorträge, das Begehen religiöser Feiern, den Verkauf
von Büchern, Tonbändern und Video-Mitschnitten und das Angebot spiritueller
Therapien mit der Verbreitung der Lehre Oshos befassten. Die gegen sie gerichteten
Maßnahmen der Bundesregierung berührten deshalb den Schutzbereich des
Art. 4 Abs. 1 GG.
37
Die staatlichen Äußerungen hätten - nicht zuletzt wegen der mit
ihnen in Anspruch genommenen staatlichen Autorität - für die Ausbreitung
der betroffenen Gemeinschaft schwerwiegende negative Folgen; diese seien, soweit
sie das Verhalten der gewarnten Öffentlichkeit beträfen, beabsichtigt
und im Übrigen in Kauf genommen. Zu berücksichtigen sei auch die bestehende
Konkurrenzsituation. Wertende Äußerungen des Staates verzerrten den
Wettbewerb unter den Religionen und Weltanschauungen.
38
Zu Unrecht werde die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für solche
Äußerungen verneint. Es sei verfehlt, aus Schutzpflichten Eingriffsrechte
abzuleiten. Auch die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit könne keine
Grundlage für grundrechtsbeschränkende Warnungen sein. Dasselbe gelte
für die Rechenschaftspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Parlament.
Das Verhältnismäßigkeitsprinzip reiche nicht aus, verfassungsunmittelbar
eröffneten Eingriffsmöglichkeiten ausreichende Grenzen zu ziehen; notwendig
sei - wenigstens in den Grundzügen - eine gesetzliche Festlegung, zum Schutz
welcher Verfassungsrechtsgüter Eingriffe in die Religionsfreiheit zulässig
seien. Es widerspreche auch der Bedeutung dieses Grundrechts, wenn nicht zumindest
minimale Verfahrensregeln insbesondere zur Ermittlungs- und Begründungspflicht
der Bundesregierung und zur Beteiligung der betroffenen Religionsgemeinschaften
getroffen würden.
39
Der Bundesregierung fehle auch die Kompetenz für Warnungen vor neuen religiösen
Bewegungen. Aus den Kompetenztiteln für öffentliche Fürsorge, Jugendschutz
und Gesundheitswesen ergebe sich keine allgemeine Befassungsbefugnis der Bundesregierung
mit der Berechtigung, ihre Erkenntnisse und Problemsicht gegenüber Parlament
und Öffentlichkeit darzulegen.
40
Inhaltlich sei in mehrfacher Hinsicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
verletzt worden. Die Bezeichnung "destruktiv" sei hochgradig abwertend
und zur Kennzeichnung von Gefahren ungeeignet. Die Verwendung des Begriffs "pseudoreligiös"
sei schon deshalb unzulässig, weil die Gerichte der Osho-Bewegung den Schutz
des Art. 4 Abs. 1 GG zuerkannt hätten. Die Weltanschauung Oshos sei keine
"Jugendsekte" oder "Jugendreligion". Es sei unwidersprochen
vorgetragen worden, dass das Durchschnittsalter der Mitglieder bei 34 Jahren liege.
Die Verwaltungsgerichte manipulierten das Tatsachenmaterial, wenn sie sich darüber
mit dem Argument hinwegsetzten, gemeint sei Jugend im weiteren Sinne. Zum Begriff
"Sekte" sei ebenfalls vorgebracht worden, dass er heute umgangssprachlich
abwertend verstanden werde. Das habe der Endbericht der Enquete-Kommission "Sogenannte
Sekten und Psychogruppen" des Deutschen Bundestags bestätigt. Die Bezeichnung
"Psychosekte" bringe durch den Wortbestandteil "Psycho" eine
zusätzliche Abwertung zum Ausdruck. Hinsichtlich des Begriffs "manipuliert"
werde daran angeknüpft, dass die Osho-Bewegung verstärkt Erkenntnisse
der Psychologie einsetze. Dass dies mit Manipulation verbunden sei, sei eine freie
Erfindung.
41
2. Verletzt worden sei auch der Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches
Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.
42
Beim Oberverwaltungsgericht seien die Beiziehung sämtlicher Verwaltungsvorgänge
der Bundesregierung und die Gewährung von Akteneinsicht beantragt worden.
Dem sei nicht entsprochen worden. Außerdem seien vor allem zur Interpretation
der Lehren Oshos Beweisanträge gestellt worden. Das Gericht habe sie mit
einer Ausnahme, als es sich selbst für sachkundig erklärt habe, als
entscheidungsunerheblich abgelehnt. Soweit die Nichtvernehmung eines sachverständigen
Zeugen zu Inhalt und Bedeutung der Lehren Oshos damit begründet worden sei,
dass auf den objektiven Erklärungswert der Aussagen für einen in diesem
Bereich nicht besonders sachkundigen Dritten abzustellen sei, sei auch dies verfassungswidrig.
Zum Teil hätten die im Berufungsurteil erwähnten Aussagen Oshos im Prozess
zuvor keine Rolle gespielt. Die Beschwerdeführer hätten deshalb keine
Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äußern.
43
Auch die Zurückweisung all dieser Rügen durch das Bundesverwaltungsgericht
verletze Art. 103 Abs. 1 GG.
44
IV. Zu der Verfassungsbeschwerde hat namens der Bundesregierung das Bundesministerium
für Frauen und Jugend Stellung genommen. Es hält die Verfassungsbeschwerde
für unbegründet.
45
1. Die Bundesregierung habe aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Stellung und
im Hinblick auf die Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte und verfassungsrechtlich
hervorgehobener Gemeinschaftsgüter die Aufgabe, sich mit gesellschaftlichen
Erscheinungen, die in der Öffentlichkeit mit Sorge verfolgt würden,
zu befassen, besonders wenn mit ihnen Gefahren für Grundrechte und Gemeinschaftsgüter
wie den Jugendschutz verbunden sein könnten. Dass die Jugendreligionen in
der für das Urteil des Oberverwaltungsgerichts maßgeblichen Zeit Gegenstand
einer von Besorgnis gekennzeichneten öffentlichen Debatte gewesen seien,
werde auch die Verfassungsbeschwerde nicht bezweifeln wollen.
46
Die Bundesregierung sei auch befugt, ihre Erkenntnisse und Problemsicht in Form
von Wertungen, Empfehlungen und Warnungen der Öffentlichkeit darzulegen,
auch wenn es dabei zu Grundrechtseingriffen kommen könne. Die Bundesregierung
habe sich gegenüber dem Parlament zu erklären. Derartige Erklärungen
würden in der Öffentlichkeit regelmäßig bekannt. Zutreffend
hätten das Ober- und das Bundesverwaltungsgericht das Äußerungsrecht
der Bundesregierung aus dieser Erklärungspflicht gegenüber dem Parlament
abgeleitet. Eine zweite verfassungsrechtliche Wurzel habe dieses Recht in der
schon genannten Schutzpflicht für den Einzelnen und die durch das Grundgesetz
hervorgehobenen Gemeinschaftsgüter.
47
Einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe es für
Äußerungen der genannten Art nicht; die Ermächtigung ergebe sich
unmittelbar aus der Verfassung. Angesichts der Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen
wäre eine gesetzlich normierte Ermächtigung auch kaum vorstellbar; sie
müsste sich in der bloßen Feststellung eines Äußerungsrechts
erschöpfen und könnte als verfassungsrechtliche Voraussetzungen nur
den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Willkürverbot nennen,
die ebenfalls unmittelbar der Verfassung zu entnehmen seien.
48
Die Bundesregierung habe für die genannten Aufgaben und Befugnisse auch eine
Verbandskompetenz. Dass die Länder in gleicher Weise tätig werden könnten,
stehe dem nicht entgegen. Es habe sich um Erscheinungen gehandelt, die länderübergreifend
im ganzen Bundesgebiet festgestellt worden seien. Auch könnten Erkenntnisse,
die bei den Beobachtungen der Bundesregierung anfielen, zu gesetzlichen Maßnahmen
nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 oder 19 GG führen.
49
Die Äußerungs-, Empfehlungs- und Warnrechte der Bundesregierung bestünden
allerdings nicht unbegrenzt. Sie müssten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
entsprechen und unterlägen ferner dem Willkürverbot, wonach mitgeteilte
Tatsachen zutreffen müssten und Werturteile weder auf sachfremden Erwägungen
beruhen noch den sachlich gebotenen Rahmen überschreiten dürften. Eine
Pflicht zur vorherigen Anhörung betroffener Vereinigungen bestehe dagegen
grundsätzlich nicht.
50
Nach diesen Maßstäben seien die vom Oberverwaltungsgericht überprüften
Äußerungen nicht zu beanstanden. Soweit Bezeichnungen als Wertungen
einen negativen Inhalt hätten, sei ihre Verwendung durch tatsächliche
Feststellungen gedeckt.
51
2. Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG könne ebenfalls
keinen Erfolg haben. Das Oberverwaltungsgericht habe den gesamten Vortrag der
Beschwerdeführer einschließlich aller Beweisanträge zur Kenntnis
genommen und darüber entschieden. Es liege auch kein Überraschungsurteil
vor.
52
B. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Im Ergebnis verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden ist, dass die Bezeichnungen "Sekte", "Jugendreligion",
"Jugendsekte" und "Psychosekte", welche die Bundesregierung
in der Unterrichtung über die Osho-Bewegung und die ihr angehörenden
Gemeinschaften für diese verwendet hat, im Ausgangsverfahren für unbedenklich
gehalten worden sind. Dagegen kann das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts
insoweit keinen Bestand haben, als es auch den Gebrauch der Attribute "destruktiv"
und "pseudoreligiös" sowie den Vorwurf der Manipulation von Mitgliedern
dieser Gemeinschaften als verfassungsmäßig angesehen hat.
53
I. Das Urteil verletzt insoweit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.
54
1. Die Beschwerdeführer sind Träger dieses Grundrechts. Dass sie als
eingetragene Vereine des bürgerlichen Rechts nach § 21 BGB juristische
Personen sind, steht dem nicht entgegen. Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG gilt
das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit auch für inländische
juristische Personen, wenn ihr Zweck die Pflege oder Förderung eines religiösen
oder weltanschaulichen Bekenntnisses ist (vgl. BVerfGE 19, 129 [132]; 24, 236
[247]; 99, 100 [118]). Bei den Beschwerdeführern ist dies nach den tatsächlichen
Feststellungen, die das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht im Ausgangsverfahren
getroffen haben, der Fall. Danach verfolgen die Beschwerdeführer ausweislich
ihrer Satzungen jeweils den Zweck, gemeinschaftlich die Lehren des Osho-Rajneesh
zu pflegen. Diese bestimmten, wie es das Oberverwaltungsgericht ausgedrückt
hat, die Ziele des Menschen, sprächen ihn im Kern seiner Persönlichkeit
an und erklärten auf eine umfassende Weise den Sinn der Welt und des menschlichen
Lebens. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Oberverwaltungsgericht
daraus gefolgert hat, dass es sich bei den Zielen und Inhalten der Osho-Bewegung
jedenfalls um eine Weltanschauung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG handelt.
55
Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass sich die Beschwerdeführer wie die
Osho-Bewegung insgesamt auch wirtschaftlich betätigen. Die ideellen Zielsetzungen
dieser Bewegung dienen, wie die Tatsachengerichte im Ausgangsverfahren weiter
festgestellt haben, den Beschwerdeführern und ihren Anhängern nicht
nur als Vorwand für wirtschaftliche Aktivitäten. Die Tätigkeit
der Beschwerdeführer sei nicht einmal überwiegend auf Gewinnerzielung
gerichtet. Die Verwaltungsgerichte haben den Beschwerdeführern auf der Grundlage
dieser Tatsachenfeststellungen den Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu Recht
zuerkannt.
56
2. Das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit umfasst neben der
Freiheit des Einzelnen zum privaten und öffentlichen Bekenntnis seiner Religion
oder Weltanschauung auch die Freiheit, sich mit anderen aus gemeinsamem Glauben
oder gemeinsamer weltanschaulicher Überzeugung zusammenzuschließen
(vgl. BVerfGE 53, 366 [387]; 83, 341 [355]). Die durch den Zusammenschluss gebildete
Vereinigung selbst genießt das Recht zu religiöser oder weltanschaulicher
Betätigung, zur Verkündigung des Glaubens, zur Verbreitung der Weltanschauung
sowie zur Pflege und Förderung des jeweiligen Bekenntnisses (vgl. BVerfGE
19, 129 [132]; 24, 236 [246 f.]; 53, 366 [387]). Geschützt sind auch die
Freiheit, für den eigenen Glauben und die eigene Überzeugung zu werben,
und das Recht, andere von deren Religion oder Weltanschauung abzuwerben (vgl.
BVerfGE 12, 1 [4]; 24, 236 [245]).
57
Bedeutung und Tragweite dieser Gewährleistungen finden darin ihren besonderen
Ausdruck, dass der Staat nach Art. 4 Abs. 1 GG, aber auch gemäß Art.
3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 und Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs.
1, 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV verpflichtet ist, sich in Fragen des religiösen
oder weltanschaulichen Bekenntnisses neutral zu verhalten und nicht seinerseits
den religiösen Frieden in der Gesellschaft zu gefährden (vgl. BVerfGE
19, 206 [216]; 93, 1 [16 f.]; 102, 370 [383]). Art. 4 Abs. 1 GG schützt daher
gegen diffamierende, diskriminierende oder verfälschende Darstellungen einer
religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft. Nicht aber sind der Staat
und seine Organe gehalten, sich mit derartigen Fragen überhaupt nicht zu
befassen. Auch der neutrale Staat ist nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten
einer religiösen oder weltanschaulichen Gruppierung oder das ihrer Mitglieder
nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, selbst wenn dieses Verhalten letztlich
religiös motiviert ist (vgl. BVerfGE 102, 370 [394]).
58
Ebenso ist den staatlichen Verantwortungsträgern die Information des Parlaments,
der Öffentlichkeit oder interessierter Bürgerinnen und Bürger über
religiöse und weltanschauliche Gruppen und ihre Tätigkeit nicht schon
von vornherein verwehrt. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG schützt nicht dagegen, dass
sich staatliche Organe mit den Trägern des Grundrechts öffentlich -
auch kritisch - auseinander setzen. Nur die Regelung genuin religiöser oder
weltanschaulicher Fragen, nur die parteiergreifende Einmischung in die Überzeugungen,
die Handlungen und in die Darstellung Einzelner oder religiöser und weltanschaulicher
Gemeinschaften sind dem Staat untersagt (vgl. BVerfGE 93, 1 [16]; 102, 370 [394]).
Weder dürfen von ihm bestimmte Bekenntnisse - etwa durch Identifikation mit
ihnen - privilegiert noch andere um ihres Bekenntnisinhalts willen - beispielsweise
durch Ausgrenzung - benachteiligt werden. In einem Staat, in dem Anhänger
unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben,
kann die friedliche Koexistenz nur gelingen, wenn der Staat selbst in Glaubens-
und Weltanschauungsfragen Neutralität bewahrt (vgl. BVerfGE 93, 1 [16 f.]
m. w. N.). Er hat sich deshalb im Umgang mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften
besondere Zurückhaltung aufzuerlegen, deren konkretes Maß sich nach
den Umständen des Einzelfalles bestimmt.
59
3. Diesen Grundsätzen werden die Äußerungen der Bundesregierung,
die im Ausgangsverfahren in Bezug auf die Osho-Bewe-gung und ihre Gemeinschaften
vom Berufungsgericht noch zu beurteilen waren, nicht in vollem Umfang gerecht.
60
a) aa) Zuzustimmen ist den angegriffenen Entscheidungen allerdings darin, dass
diese Äußerungen, soweit mit ihnen die Osho-Bewegung und die zu ihr
gehörenden Gemeinschaften als "Sekte", "Jugendreligion",
"Jugendsekte" und "Psychosekte" bezeichnet wurden, keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Diese Äußerungen berühren
schon nicht den Schutzbereich des Grundrechts der Religions- oder Weltanschauungsfreiheit.
Sie enthalten keine diffamierenden oder verfälschenden Darstellungen, sondern
bewegen sich im Rahmen einer sachlich geführten Informationstätigkeit
über die betroffenen Gemeinschaften und wahren damit die Zurückhaltung,
zu welcher der Staat und seine Organe nach dem Gebot der religiös-weltanschaulichen
Neutralität verpflichtet sind.
61
(1) Allerdings soll die Bezeichnung "Sekte" nach der Empfehlung der
Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" des Deutschen
Bundestags in Verlautbarungen staatlicher Stellen über Gruppierungen der
hier vorliegenden Art in Zukunft nicht weiter verwendet werden. Der Gebrauch im
seinerzeitigen Kontext war aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
62
Das Verwaltungsgericht hat den Begriff "Sekte" unter anderem deshalb
für unbedenklich gehalten, weil er sämtliche kleineren Religionsgemeinschaften
unabhängig von ihrer Herkunft umfasse und jedenfalls eine weit über
den Kreis der neuen religiösen und weltanschaulichen Bewegungen hinausgehende
Gruppe solcher Gemeinschaften bezeichne. Gegen diese Beurteilung sind verfassungsrechtliche
Einwände nicht zu erheben (vgl. zur Spannweite des Sektenbegriffs außer
dem Endbericht der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen",
BTDrucks 13/ 10950, S. 18, etwa noch König, Sekten, in: Staatslexikon, 7.
Aufl., 4. Bd., 1988, Sp. 1147 ff.). Gleiches gilt für die Auffassung des
Oberverwaltungsgerichts, dass der Begriff "Sekte" seine allgemeine Verwendung
typischerweise im religiösen Bereich erfahre und eine gegenüber den
großen Glaubensgemeinschaften nicht selten durch besonders pointierte Unterscheidungen
in der Lehre unterstrichene Minderheitenrolle indiziere, die bei der Osho-Bewegung
ihren Ausdruck unter anderem darin finde, dass sich diese vorrangig an Jugendliche
und junge Erwachsene wende.
63
Dass die Verwendung der Bezeichnung "Sekte" in staatlichen Verlautbarungen
vor diesem Hintergrund im Lichte des Neutralitäts- und Zurückhaltungsgebots
in religiösweltanschaulichen Fragen verfassungsrechtlich keinen durchgreifenden
Bedenken begegnet, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dieser Begriff in
Bezug auf die neueren religiösen und weltanschaulichen Gruppierungen zum
Teil als negativ gefärbt verstanden wird. Dieses Verständnis ergibt
sich notwendig aus der Weite und den inhaltlichen Differenzierungen des Sektenbegriffs
selbst. Im Übrigen ist der Staat durch die Pflicht zur religiös-weltanschaulichen
Neutralität nicht gehindert, in der öffentlichen Diskussion über
religiöse oder weltanschauliche Gruppen für diese die Bezeichnungen
zu verwenden, die in der aktuellen Situation dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen
und in diesem Sinne von den Adressaten der jeweiligen Äußerung auch
verstanden werden.
64
(2) Entsprechendes gilt für den Gebrauch der Begriffe "Jugendreligion"
und "Jugendsekte". Das Oberverwaltungsgericht hat sie auch mit Bezug
auf die Osho-Bewegung und die sich zu ihr bekennenden Organisationen als unbedenklich
eingestuft, weil diese sich vorrangig an junge Erwachsene wendeten und die Letzteren
in einem erweiterten Sinne noch zum Bereich der "Jugend" gerechnet werden
könnten, der nach allgemeinem Sprachgebrauch und gesellschaftlicher Praxis
auch Angehörige von Altersgruppen deutlich jenseits von 20 Jahren umfasse.
65
Diese Einschätzung entspricht, wie die Ausführungen im Zwischenbericht
der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" des Deutschen
Bundestags zeigen, dem Stand der öffentlichen Diskussion über die neuen
religiösen und weltanschaulichen Gruppen und Bewegungen, wie sie nach den
damals möglichen Erkenntnissen in den Jahren geführt wurde, in denen
auch die hier in Rede stehenden Äußerungen gefallen sind. Danach wurden
die genannten Gruppierungen fast ausschließlich als ein neues gesellschaftliches
Problem wahrgenommen, das vorwiegend Jugendliche oder junge Erwachsene betraf
(vgl. BTDrucks 13/ 8170, S. 52). Es verletzt nicht das dem Staat in religiösen
und weltanschaulichen Angelegenheiten auferlegte Neutralitäts- und Zurückhaltungsgebot,
wenn dieser durch seine Organe im Rahmen einer solchen Debatte die Bezeichnungen
und Begriffe verwendet, die in der aktuellen Situation den Gegenstand der Auseinandersetzung
einprägsam und für die Adressaten seiner Äußerungen verständlich
umschreiben, sofern die Äußerungen als solche nicht diffamierend oder
sonst wie diskriminierend sind. Diese Voraussetzung war bei den Begriffen "Jugendreligion"
und "Jugendsekte" unter den genannten Umständen gegeben, zumal
ihr Gebrauch nicht selten mit einschränkenden und relativierenden Zusätzen
und Ausdrucksformen ("so genannte", Verwendung der Begriffe in Anführungszeichen)
verbunden wurde.
66
(3) Schließlich wahrt auch der Gebrauch der Bezeichnung "Psychosekte"
noch die dem Staat vorgegebene Neutralität in religiös-weltanschaulichen
Fragen. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Begriff mit Bezug auf die Osho-Bewegung
damit erklärt, dass diese - nach der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts
unstreitig - in großem Umfang therapeutische Meditationskurse anbiete und
ihre Lehre selbst als eine Synthese aus östlicher Weisheit und westlicher
Psychologie bezeichne.
67
Auch dieser Befund stimmt mit den Erkenntnissen überein, welche die Enquete-Kommission
"Sogenannte Sekten und Psychogruppen" des Deutschen Bundestags für
die Zeit gewonnen hat, in der die Äußerungen gemacht wurden, gegen
deren weiteren Gebrauch die Beschwerdeführer sich wenden. Danach gehörten
zu dem so genannten Psychomarkt mit seinen vielfältigen psychologischen und
pseudopsychologischen Angeboten zur Lebenshilfe, Lebensorientierung und Persönlichkeitsentwicklung
außerhalb der fachlichen Psychologie und des Gesundheitswesens (vgl. BTDrucks
13/ 10950, S. 19) auch meditativ orientierte Strömungen wie die Bhagwan/
Osho-Bewegung (vgl. ebd., S. 48, 86 f.). Es war vor diesem Hintergrund für
die betroffenen Gruppen und ihre Angehörigen nicht diskriminierend, wahrte
vielmehr die verfassungsrechtlich gebotene Neutralität, wenn diese Gruppen
in der öffentlichen Diskussion über sie von staatlicher Seite auch als
"Psychosekten" bezeichnet wurden, zumal auch dies häufig in der
Weise geschah, dass dem Begriff der einschränkende Zusatz "so genannte"
hinzugefügt wurde.
68
bb) Nicht mehr in dem verfassungsrechtlich gebotenen Sinne neutral sind dagegen
die Attribute "destruktiv" und "pseudoreligiös", mit
denen die der Osho-Bewegung angehörenden Gemeinschaften versehen wurden,
und der Vorwurf, deren Mitglieder würden von der jeweiligen Gemeinschaft
- weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit - manipuliert.
69
(1) Wie schon das Verwaltungsgericht in seinem insoweit nicht angegriffenen Urteil
nachvollziehbar angenommen hat, liegt der diffamierende Charakter der Attribute
"destruktiv" und "pseudoreligiös" offen zu Tage. Es hat
dazu weiterhin festgestellt, dass die Qualifizierung der Osho-Bewegung und der
ihr zugehörigen Gruppen als destruktiv sich nicht auf einzelne als gefährlich
eingeschätzte Folgerungen aus der Mitgliedschaft in solchen Gemeinschaften
beziehe, sondern dass die genannte Bewegung durch diese Bezeichnung pauschal abgewertet
werde und auch die Verwendung des Ausdrucks "pseudoreligiös" die
Inhalte der Osho-Bewegung diffamiere und einen darüber hinausgehenden Sinngehalt
nicht aufweise. Auch das Oberverwaltungsgericht hat in den genannten Attributen
eine abwertende Beurteilung der Osho-Bewegung gesehen. Dass es sie für gerechtfertigt
hält, ändert nichts daran, dass damit die in der Auseinandersetzung
mit religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften gebotene Neutralität
und Zurückhaltung nicht mehr gewahrt wurden.
70
(2) Das Gleiche trifft für den im Ausgangsverfahren festgestellten Vorwurf
der Bundesregierung zu, Mitglieder der Osho-Bewegung und ihrer Gemeinschaften
würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert. Nach
der Deutung durch das Verwaltungsgericht ist diese - von ihm als negativ gekennzeichnete
- Aussage nicht auf bestimmte Tätigkeiten der Bewegung, etwa im Bereich des
Arbeits- und Tarifrechts, sondern auf die ihr angehörenden Vereinigungen
in ihrer Gesamtheit bezogen. Es habe zum Ausdruck gebracht werden sollen, die
Osho-Bewegung wirke insgesamt auf ihre Mitglieder mit unlauteren Methoden ein.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Würdigung der Äußerung als
generelle Aussage geteilt und auch eine stark abwertende Bedeutung des Begriffs
"Manipulation" nicht in Abrede gestellt (vgl. KirchE 28, S. 106 [125]).
Von Verfassungs wegen begegnet diese Einschätzung keinen Bedenken.
71
Mit den Begriffen "Manipulation" und "Manipulieren" wird nicht
nur entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch die Vorstellung einer Beeinflussung
von Menschen durch andere verbunden. Durch den Gebrauch dieser Wörter wird
vielmehr auch der Gedanke des Lenkens und Steuerns von Menschen ohne oder gegen
ihren Willen, ihrer Benutzung als Objekt und des Sichverschaffens von Vorteilen
auf betrügerische oder scheinlegale Weise zum Ausdruck gebracht (vgl. die
Stichworte "Manipulation" und "manipulieren" in: Brockhaus-Enzyklopädie,
19. Aufl., Bd. 27, 1995, S. 2191; Duden, Das große Wörterbuch der deutschen
Sprache, 3. Aufl., Bd. 6, 1999, S. 2505 f.; Duden, Das große Fremdwörterbuch,
2. Aufl. 2000, S. 837). Damit ist die Grenze einer zurückhaltend-neutralen
Bewertung religiös-weltanschaulicher Vorgänge und Verhaltensweisen jedenfalls
dann überschritten, wenn dies - wie hier - nicht auf konkrete Tatsachen gestützt
wird.
72
b) Die Verwendung der Attribute "destruktiv" und "pseudoreligiös"
und die Erhebung des Vorwurfs der Mitgliedermanipulation beeinträchtigen
danach das durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantierte Recht der Beschwerdeführer
auf eine in religiös-weltanschaulicher Hinsicht neutral und zurückhaltend
erfolgende Behandlung. Die Merkmale eines Grundrechtseingriffs im herkömmlichen
Sinne werden damit allerdings nicht erfüllt. Danach wird unter einem Grundrechtseingriff
im Allgemeinen ein rechtsförmiger Vorgang verstanden, der unmittelbar und
gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise
durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher
Freiheiten führt. Keines dieser Merkmale liegt bei den Äußerungen
vor, die hier zu beurteilen sind.
73
Die Kennzeichnung der Osho-Bewegung und der ihr zugehörigen Gemeinschaften
als "destruktiv" und "pseudoreligiös" und die Behauptung,
diese Gemeinschaften manipulierten - weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit
- ihre Mitglieder, erfolgten nicht rechtsförmig, sondern waren in Parlamentsantworten
enthalten und außerhalb des Parlaments Gegenstand von Rede- und Diskussionsbeiträgen.
Sie waren auch nicht unmittelbar an die Organisationen der Osho-Bewegung und ihre
Mitglieder adressiert, sondern wollten Parlament und Öffentlichkeit über
die Gruppen dieser Bewegung, ihre Ziele und Aktivitäten unterrichten. Weiter
war es nicht Zweck der Äußerungen, den angesprochenen Gemeinschaften
und ihren Anhängern Nachteile zuzufügen; beabsichtigt war vielmehr nur,
Parlament, Öffentlichkeit und hier vor allem den interessierten und betroffenen
Bürgerinnen und Bürgern die Risiken aufzuzeigen, die nach Auffassung
der Bundesregierung mit der Mitgliedschaft in einer der Osho-Bewegung angehörenden
Gruppierung verbunden sein konnten. Nachteilige Rückwirkungen auf die einzelne
Gemeinschaft wurden allerdings in Kauf genommen. Sofern sie eintraten, beruhten
sie aber nicht auf einem erforderlichenfalls zwangsweise durchsetzbaren staatlichen
Ge- oder Verbot, sondern darauf, dass der Einzelne aus der ihm zugegangenen Information
Konsequenzen zog und der betreffenden Gruppe fernblieb, aus ihr austrat, auf Angehörige
oder andere Personen einwirkte, sich ebenso zu verhalten, oder davon absah, die
Gemeinschaft (weiter) finanziell zu unterstützen.
74
Dies hindert jedoch nicht, Äußerungen der vorliegenden Art an Art.
4 Abs. 1 und 2 GG zu messen. Das Grundgesetz hat den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen
nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden oder diesen inhaltlich vorgegeben.
Die genannten Äußerungen hatten in Bezug auf die Beschwerdeführer
eine mittelbar faktische Wirkung. Als Beeinträchtigungen des Grundrechts
aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sind aber auch sie von Verfassungs wegen nur dann nicht
zu beanstanden, wenn sie sich verfassungsrechtlich hinreichend rechtfertigen lassen.
75
c) Das ist nicht der Fall. Zwar hat die Bundesregierung mit den angegriffenen
Äußerungen im Rahmen ihrer Informationskompetenz gehandelt (aa). Die
Beschwerdeführer sind dadurch jedoch unverhältnismäßig in
ihren Grundrechten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beeinträchtigt worden (bb).
76
aa) Die Bundesregierung durfte Parlament und Öffentlichkeit über die
Osho-Bewegung, die ihr angehörenden Gruppierungen sowie deren Ziele und Aktivitäten
informieren. Dabei konnte sie sich auf ihre verfassungsunmittelbare Aufgabe der
Staatsleitung stützen, ohne dass es einer zusätzlichen gesetzlichen
Ermächtigung bedurft hätte.
77
(1) (a) Die Ermächtigung zur Erteilung derartiger Informationen ergibt sich
aus der der Bundesregierung zugewiesenen Aufgabe, im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit
auch auf aktuelle streitige, die Öffentlichkeit erheblich berührende
Fragen einzugehen und damit staatsleitend tätig zu werden. Diese Aufgabe,
bei der es um die politische Führung, die verantwortliche Leitung des Ganzen
der inneren und äußeren Politik geht und die sich die Bundesregierung
mit den anderen dazu berufenen Verfassungsorganen teilt (zur Staatsleitung als
Regierungsaufgabe vgl. schon BVerfGE 11, 77 [85]; 26, 338 [395 f.]), wird nicht
allein mit den Mitteln der Gesetzgebung (zur Staatsleitung durch Gesetz vgl. BVerfGE
70, 324 [355]) und der richtungweisenden Einwirkung auf den Gesetzesvollzug wahrgenommen.
Staatsleitung durch die Bundesregierung wird vielmehr auch im Wege des täglichen
Informationshandelns im Wechselspiel insbesondere mit dem Parlament, aber auch
mit der interessierten Öffentlichkeit sowie den jeweils betroffenen Bürgerinnen
und Bürgern wahrgenommen.
78
Die staatliche Teilhabe an öffentlicher Kommunikation hat sich im Laufe der
Zeit grundlegend gewandelt und verändert sich unter den gegenwärtigen
Bedingungen fortlaufend weiter. Die gewachsene Rolle der Massenmedien, der Ausbau
moderner Informations- und Kommunikationstechniken sowie die Entwicklung neuer
Informationsdienste wirken sich auch auf die Art der Aufgabenerfüllung durch
die Regierung aus. Regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit war herkömmlich
insbesondere auf die Darstellung von Maßnahmen und Vorhaben der Regierung,
die Darlegung und Erläuterung ihrer Vorstellungen über künftig
zu bewältigende Aufgaben und die Werbung um Unterstützung bezogen (vgl.
BVerfGE 20, 56 [100]; 44, 125 [147]; 63, 230 [242 f.]). Informationshandeln unter
heutigen Bedingungen geht über eine solche Öffentlichkeitsarbeit vielfach
hinaus (vgl. auch VerfGH NW, NWVBl 1992, S. 14 [15 f.]). So gehört es in
einer Demokratie zur Aufgabe der Regierung, die Öffentlichkeit über
wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld ihrer eigenen
gestaltenden politischen Tätigkeit zu unterrichten. In einer auf ein hohes
Maß an Selbstverantwortung der Bürger bei der Lösung gesellschaftlicher
Probleme ausgerichteten politischen Ordnung ist von der Regierungsaufgabe auch
die Verbreitung von Informationen erfasst, welche die Bürger zur eigenverantwortlichen
Mitwirkung an der Problembewältigung befähigen. Dementsprechend erwarten
die Bürger für ihre persönliche Meinungsbildung und Orientierung
von der Regierung Informationen, wenn diese andernfalls nicht verfügbar wären.
Dies kann insbesondere Bereiche betreffen, in denen die Informationsversorgung
der Bevölkerung auf interessengeleiteten, mit dem Risiko der Einseitigkeit
verbundenen Informationen beruht und die gesellschaftlichen Kräfte nicht
ausreichen, um ein hinreichendes Informationsgleichgewicht herzustellen.
79
Von der Staatsleitung in diesem Sinne wird nicht nur die Aufgabe erfasst, durch
rechtzeitige öffentliche Information die Bewältigung von Konflikten
in Staat und Gesellschaft zu erleichtern, sondern auch, auf diese Weise neuen,
oft kurzfristig auftretenden Herausforderungen entgegenzutreten und auf Krisen
und auf Besorgnisse der Bürger schnell und sachgerecht zu reagieren sowie
diesen zu Orientierungen zu verhelfen (vgl. weiter Beschluss des Ersten Senats
vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/ 91 und 1428/ 91 - Glykol). Ein Schweigen der Regierung
in solcher Lage würde von vielen Bürgern als Versagen bewertet werden.
Dies kann zu Legitimationsverlusten führen.
80
(b) Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Vorgänge und Entwicklungen,
die für den Bürger und das funktionierende Zusammenwirken von Staat
und Gesellschaft von Wichtigkeit sind, ist von der der Regierung durch das Grundgesetz
zugewiesenen Aufgabe der Staatsleitung auch dann gedeckt, wenn mit dem Informationshandeln
mittelbar-faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen verbunden sind, wie dies
bei den hier in Rede stehenden Äußerungen über die Osho-Bewegung
und die ihr angehörenden Gemeinschaften der Fall war. Die Zuweisung einer
Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen
der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen
herbeigeführt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt hierfür
keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber,
es sei denn, die Maßnahme stellt sich nach der Zielsetzung und ihren Wirkungen
als Ersatz für eine staatliche Maßnahme dar, die als Grundrechtseingriff
im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren ist. Durch Wahl eines solchen funktionalen
Äquivalents eines Eingriffs kann das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen
Grundlage nicht umgangen werden.
81
(aa) Unter der Geltung des Grundgesetzes ist der Grundrechtsschutz nicht auf Eingriffe
im herkömmlichen Sinne begrenzt, sondern auf faktische und mittelbare Beeinträchtigungen
ausgedehnt worden. Damit reagierte die Rechtsordnung auf geänderte Gefährdungslagen.
Zugleich ist der Gesetzesvorbehalt ausgedehnt worden, und zwar nicht nur im Interesse
des Schutzes subjektiver Rechte, sondern auch zur Stärkung der parlamentarischen
Verantwortung und damit der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns.
82
Wegen der zum Teil unterschiedlichen Gründe für die Ausweitung des Grundrechtsschutzes
einerseits und des Gesetzesvorbehalts andererseits ist es nicht selbstverständlich,
dass der Gesetzesvorbehalt zwangsläufig mit der Ausweitung des Schutzes auf
faktisch-mittelbare Beeinträchtigungen von Grundrechten in jeder Hinsicht
mitgewachsen ist. Die Anforderungen an eine gesetzliche Ermächtigung werden
dadurch mitbestimmt, ob diese dazu beitragen kann, die im Rechtsstaats- und im
Demokratieprinzip wurzelnden Anliegen des Gesetzesvorbehalts zu erfüllen.
Dies hängt auch von den hierauf bezogenen Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten
des Gesetzgebers ab. Der Sachbereich muss staatlicher Normierung zugänglich
sein (vgl. BVerfGE 49, 89 [126]). Ob und inwieweit das der Fall ist, lässt
sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen
Regelungsgegenstandes beurteilen (vgl. BVerfGE 98, 218 [251]).
83
Die Aufgabe staatlichen Handelns kann der Gesetzgeber ohne weiteres normativ festlegen.
Ebenso kann er die Voraussetzungen gezielter und unmittelbarer Eingriffe normieren.
Für die faktisch-mittelbaren Wirkungen staatlichen Handelns gilt dies regelmäßig
nicht. Hier liegt die Beeinträchtigung nicht in einem staatlicherseits geforderten
Verhalten des Normadressaten, sondern in den Wirkungen staatlichen Handelns für
einen Dritten, die insbesondere vom Verhalten anderer Personen abhängen.
Die Beeinträchtigung entsteht aus einem komplexen Geschehensablauf, bei dem
Folgen grundrechtserheblich werden, die indirekt mit dem eingesetzten Mittel oder
dem verwirklichten Zweck zusammenhängen. Derartige faktisch-mittelbare Wirkungen
entziehen sich typischerweise einer Normierung.
84
(bb) So liegt es jedenfalls bei einer Informationstätigkeit der Regierung,
die aufgrund der Reaktionen der Bürger zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen
führt. Die Voraussetzungen dieser Tätigkeit lassen sich gesetzlich sinnvoll
nicht regeln.
85
Ist eine Aufgabe der Regierung zum Informationshandeln gegeben, steht damit im
Hinblick auf die Vielgestaltigkeit und Veränderlichkeit der in Betracht kommenden
Lebenssachverhalte in aller Regel nicht im Vorhinein fest, aus welchen Anlässen
es zu welchem Informationshandeln der Regierung kommen wird. Die Themen denkbarer
staatlicher Informationstätigkeit betreffen praktisch alle Lebensbereiche.
Dementsprechend vielfältig sind die Zwecke staatlichen Informationshandelns.
Die Art und Weise des staatlichen Vorgehens werden durch den konkreten Anlass
der Äußerung bestimmt, der oft kurzfristig entsteht, sich unter Umständen
schnell wieder ändert und deshalb vielfach ebenfalls nicht prognostiziert
werden kann. Ungewiss sind auch und vor allem die Wirkungen und weiteren Folgen
der staatlichen Informationstätigkeit für den Bürger. Ob und welche
nachteiligen Konsequenzen diese Tätigkeit im Einzelfall für den Grundrechtsträger
hat, hängt im Allgemeinen von einer Vielzahl unterschiedlichster Faktoren
und deren Zusammenwirken ab. Häufig ist hierfür das Verhalten Dritter
ausschlaggebend, das, weil es auf deren freier Entscheidung beruht, regelmäßig
nicht abschätzbar ist und hinsichtlich seiner Folgen nur schwer kalkuliert
werden kann.
86
Weder die rechtsstaatliche, grundrechtsschützende und den Rechtsschutz gewährleistende
noch die demokratische Funktion des Gesetzesvorbehalts fordert unter diesen Umständen
eine über die Aufgabenzuweisung hinausgehende gesetzliche Ermächtigung.
Gegenstand und Modalitäten staatlichen Informationshandelns sind so vielgestaltig,
dass sie angesichts der eingeschränkten Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten
des Gesetzgebers allenfalls in allgemein gehaltenen Formeln und Generalklauseln
gefasst werden könnten. Ein Gewinn an Messbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen
Handelns ist für den Bürger auf diesem Wege regelmäßig nicht
zu erreichen oder nur in einer Weise, die den Erfordernissen staatlicher Informationstätigkeit
nicht gerecht wird. Gleiches gilt für das Ziel, die Entscheidung grundsätzlicher,
insbesondere für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlicher Fragen (vgl.
BVerfGE 47, 46 [79]; 98, 218 [251]) aus Gründen der demokratischen Legitimation
wenigstens in den Grundzügen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorzubehalten.
Angesichts der zwangsläufig weiten und unbestimmten Fassung einer einfachgesetzlichen
Ermächtigung zum Informationshandeln der Regierung wäre mit einer solchen
Ermächtigung eine Entscheidung zur Sache in Wirklichkeit nicht verbunden.
87
(c) Dass der Vorbehalt des Gesetzes über die Aufgabenzuweisung hinaus keine
besondere gesetzliche Ermächtigung der Bundesregierung zum Informationshandeln
erfordert, bedeutet allerdings nicht, dass dieser Tätigkeit keine verfassungsrechtlichen
Grenzen gesetzt wären. Auch beim Informationshandeln ist die Kompetenzordnung
zu beachten. Auf der Ebene des Bundes ergibt sich die Zuständigkeit im Verhältnis
zwischen Bundeskanzler, Bundesministern und der Bundesregierung als Kollegium
aus Art. 65 GG. Darüber hinaus ist die föderale Kompetenzaufteilung
zwischen Bund und Ländern zu wahren (vgl. BVerfGE 44, 125 [149]). Dabei hängt
die Entscheidung über die Verbandskompetenz davon ab, ob die jeweils zu erfüllende
Informationsaufgabe dem Bund oder den Ländern zukommt oder ob parallele Kompetenzen
bestehen.
88
Die Aufgabe der Staatsleitung und der von ihr als integralem Bestandteil umfassten
Informationsarbeit der Bundesregierung ist Ausdruck ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung.
Für die Regierungskompetenz zur Staatsleitung gibt es, anders als für
die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten, keine ausdrücklichen
Bestimmungen im Grundgesetz. Das Grundgesetz geht aber stillschweigend von entsprechenden
Kompetenzen aus, so etwa in den Normen über die Bildung und Aufgaben der
Bundesregierung (Art. 62 ff. GG) oder über die Pflicht der Bundesregierung,
den Bundestag und seine Ausschüsse zu unterrichten; Gleiches gilt für
die Verpflichtung der Regierung und ihrer Mitglieder, dem Bundestag auf Fragen
Rede und Antwort zu stehen und seinen Abgeordneten die zur Ausübung ihres
Mandats erforderlichen Informationen zu verschaffen (vgl. zu Letzterem BVerfGE
13, 123 [125 f.]; 57, 1 [5]; 67, 100 [129]). Die Bundesregierung ist überall
dort zur Informationsarbeit berechtigt, wo ihr eine gesamtstaatliche Verantwortung
der Staatsleitung zukommt, die mit Hilfe von Informationen erfüllt werden
kann. Anhaltspunkte für eine solche Verantwortung lassen sich etwa aus sonstigen
Kompetenzvorschriften, beispielsweise denen über die Gesetzgebung, gewinnen,
und zwar auch unabhängig von konkreten Gesetzesinitiativen. Der Bund ist
zur Staatsleitung insbesondere berechtigt, wenn Vorgänge wegen ihres Auslandsbezugs
oder ihrer länderübergreifenden Bedeutung überregionalen Charakter
haben und eine bundesweite Informationsarbeit der Regierung die Effektivität
der Problembewältigung fördert. In solchen Fällen kann die Bundesregierung
den betreffenden Vorgang aufgreifen, gegenüber Parlament und Öffentlichkeit
darstellen und bewerten und, soweit sie dies zur Problembewältigung für
erforderlich hält, auch Empfehlungen oder Warnungen aussprechen.
89
Mit dieser Ermächtigung der Bundesregierung zum Informationshandeln trifft
das Grundgesetz zugleich im Verhältnis zu den Ländern eine andere Regelung
im Sinne des Art. 30 GG. Maßgebend für die Kompetenz der Bundesregierung
im Bereich des Informationshandelns sind nicht die Art. 83 ff. GG. Die Regierungstätigkeit
ist nicht Verwaltung im Verständnis dieser Normen. Zur Ausführung von
Gesetzen durch administrative Maßnahmen ist die Bundesregierung im Zuge
ihrer Staatsleitung nicht befugt.
90
Die Informationskompetenz der Bundesregierung endet nicht schon dort, wo zur Behandlung
einer Thematik zusätzlich ein Handeln von Staatsorganen mit anderer Verbandskompetenz
in Betracht kommt, etwa das der Landesregierungen im Zuge der Wahrnehmung ihrer
eigenen staatsleitenden Aufgabe oder das der Verwaltung im Rahmen polizeilicher
Gefahrenabwehr. Das Ziel der Aufklärung der Bevölkerung könnte
verfehlt werden, wenn die Informationstätigkeit der Bundesregierung sich
auf alles andere zur Erreichung dieses Ziels Wichtige beziehen, nicht aber einen
Hinweis auf die Gefährlichkeit bestimmter Umstände enthalten dürfte.
Die Vollständigkeit einer Information ist ein wichtiges Element der Glaubwürdigkeit.
Die problemangemessene und gegebenenfalls Kompetenzen anderer Staatsorgane übergreifende
Unterrichtung durch die Bundesregierung ist unter dem Aspekt der föderalen
Kompetenzaufteilung unbedenklich, da dieses Informationshandeln weder das der
Landesregierungen für ihren Verantwortungsbereich ausschließt oder
behindert noch den Verwaltungsbehörden verwehrt, ihre administrativen Aufgaben
zu erfüllen.
91
(2) Nach diesen Maßstäben sind die Äußerungen der Bundesregierung
unter Kompetenzgesichtspunkten nicht zu beanstanden.
92
(a) Die Äußerungen waren Teil der staatsleitenden Informationsarbeit
der Bundesregierung. Nach den tatsächlichen Feststellungen insbesondere des
Oberverwaltungsgerichts sind die mit den Äußerungen verbundenen Werturteile
über die Osho-Bewegung, ihre Ziele und Aktivitäten im Zusammenhang mit
den Stellungnahmen zu sehen, die Osho-Rajneesh in seinen Schriften und sonstigen
Äußerungen zu den Themen "Ehe und Familie", "menschliches
Leben" und "menschliche Würde" abgegeben hatte. Anlass für
die abwertende Beurteilung seiner Bewegung sei die Einschätzung gewesen,
dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene weiter unter den Einfluss der
Osho-Bewegung und ihrer Einzelorganisationen geraten und auf diese Weise Gefahren
für die genannten Rechtsgüter entstehen könnten.
93
Das Informationshandeln der Bundesregierung war danach eine Reaktion auf Vorgänge
im gesellschaftlichen Raum, welche die Öffentlichkeit, Jugendliche und junge
Erwachsene wie ihre Angehörigen seinerzeit - vor allem als Betroffene - im
Hinblick auf die erwähnte Gefahrenlage in erheblichem Maße bewegten.
Dabei ging es der Bundesregierung nicht um Gefahrenabwehr im ordnungsrechtlichen
Sinne durch Verwaltungshandeln, sondern darum, durch ihre Informationsarbeit den
Beitrag in der Auseinandersetzung mit den neuen religiösen und weltanschaulichen
Gruppierungen zu leisten, den der Bundestag und die Bevölkerung auch von
ihr als staatsleitendem Organ erwarteten. Eigenes Informationshandeln anderer
Staatsorgane, insbesondere der Landesregierungen, sollte dadurch ebenso wenig
ausgeschlossen werden wie erforderlichenfalls ein Einschreiten der Verwaltungsbehörden
im Wege der Gefahrenabwehr.
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(b) Die Bundesregierung konnte sich für ihre Äußerungen auch auf
die Verbandskompetenz des Bundes für ein Informationshandeln der Regierung
stützen. Die über die Osho-Bewegung und die zu ihr gehörenden Gruppen
abgegebenen Bewertungen waren überregional geprägt. Sie sind durch Vorgänge
und Erscheinungen ausgelöst worden, die nicht auf den Bereich eines Bundeslandes
oder einiger weniger Länder beschränkt waren und außerdem auch
Bezüge zu religiösen und weltanschaulichen Gruppierungen im Ausland
hatten (vgl. BTDrucks 13/ 10950, S. 38, 105 ff., 118 ff.). Die Bundesregierung
durfte davon ausgehen, dass bewertende Äußerungen allein im Verantwortungsbereich
der Länder und ihrer Regierungen dem öffentlichen Handlungsbedarf nicht
gerecht geworden wären.
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bb) Die Bezeichnung der Osho-Bewegung und ihrer einzelnen Gruppen als "destruktiv"
und "pseudoreligiös" und der gegen diese gerichtete Vorwurf, ihre
Mitglieder würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert,
halten als das Neutralitätsgebot verletzende Äußerungen der verfassungsgerichtlichen
Prüfung gleichwohl nicht stand. Sie sind nach den Maßstäben des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerechtfertigt.
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Geht es wie hier um die Bewertung von Vorgängen, die religiöse oder
weltanschauliche Gruppen, ihre Ziele und ihre Verhaltensweisen betreffen, müssen
Äußerungen, die den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beeinträchtigen,
danach insbesondere dem Anlass, der sie ausgelöst hat, angemessen sein; in
diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, welche belastenden Folgen die mittelbar-faktisch
betroffenen Grundrechtsträger nachvollziehbar zum Abwägungsgegenstand
machen können. Die Bezeichnung der Osho-Bewegung und ihrer Gruppierungen
als "destruktiv" und "pseudoreligiös" und der Vorwurf,
diese manipulierten - weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit - ihre
Mitglieder, waren unangemessen.
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Zwar konnte die Bundesregierung nach den tatsächlichen Feststellungen vor
allem des Oberverwaltungsgerichts von der Einschätzung ausgehen, dass insbesondere
Jugendliche und junge Erwachsene weiterhin unter den Einfluss der Osho-Bewegung
und ihrer Einzelorganisationen geraten und dadurch für sie, aber auch für
ihre Familien und für die Gesellschaft insgesamt Folgen entstehen könnten,
die zum damaligen Zeitpunkt weite Kreise der Bevölkerung erheblich beunruhigten.
In dieser Lage durch aufklärendes Informationshandeln zur Orientierung der
Bürger beizutragen, war legitim.
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Es war jedoch nicht gerechtfertigt, die Osho-Bewegung und die ihr angehörenden
Gruppen mit den Attributen "destruktiv" und "pseudoreligiös"
zu versehen und ihnen vorzuwerfen, sie manipulierten ihre Mitglieder. Diese Attribute
und dieser Vorwurf sind für die Beschwerdeführer diffamierend. Es ist
auch nachvollziehbar, wenn diese geltend machen, infolge dieser Äußerungen
hätten sie schwerwiegende Nachteile zu befürchten, etwa den Verlust
vorhandener und das Ausbleiben neuer Mitglieder oder das Unterbleiben finanzieller
Unterstützungsleistungen. Hinreichend gewichtige, durch konkrete Tatsachen
gestützte Gründe, welche die Äußerungen der Bundesregierung
angesichts des Zurückhaltungsgebots trotzdem rechtfertigen könnten,
sind von dieser weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Sie lassen sich
insbesondere nicht der Situation entnehmen, in der die Bewertungen durch die Bundesregierung
vorgenommen wurden. Sowohl in der Rede des Bundesministers für Jugend, Familie
und Gesundheit als auch in den Antworten, welche die Bundesregierung auf die ihr
gestellten Anfragen gegenüber dem Bundestag gab, hätten deshalb Ausdrücke
und Bezeichnungen, wie sie hier in Rede stehen, vermieden werden müssen.
In Anbetracht der Bedeutung des Grundrechts der Weltanschauungsfreiheit und der
Neutralitätspflicht des Staates war es überzogen und unangemessen, die
genannten Äußerungen über die Osho-Bewegung und Organisationen
zu treffen, die sich - wie die Beschwerdeführer - zu dieser Bewegung bekennen.
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4. Von den angegriffenen Gerichtsentscheidungen ist demnach das Berufungsurteil
des Oberverwaltungsgerichts mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unvereinbar, soweit es
mit der Klage auch das Begehren der Beschwerdeführer abgewiesen hat, es der
beklagten Bundesrepublik Deutschland zu untersagen, in amtlichen Verlautbarungen
jeder Art die Osho-Bewegung und die ihr zugehörigen Gruppen mit den Attributen
"destruktiv" und "pseudoreligiös" zu belegen und weiter
öffentlich zu behaupten, die Mitglieder solcher Gruppen würden weitgehend
unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert.
100
Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist dagegen das verwaltungsgerichtliche
Urteil. Da die Beschwerdeführer gegen die Abweisung der Klage, soweit diese
die weitere Verwendung der Bezeichnungen "destruktiver Kult" und "Psychokult"
durch die Bundesregierung betraf, Berufung nicht eingelegt hatten, unterliegt
dieses Urteil der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nur
insoweit, als es außerdem das Verlangen der Beschwerdeführer für
unbegründet erachtet hat, der Bundesregierung den Gebrauch des Begriffs "Sekte"
zu untersagen. Durch die Verwendung dieses Begriffs wird jedoch, wie ausgeführt,
schon der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht berührt. Von daher
sind auch gegen die Abweisung der Klage insoweit im Blick auf dieses Grundrecht
verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben.
101
Schließlich beruht der angegriffene Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
nicht auf Erwägungen, die verfassungsrechtlich zu kritisieren wären.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich einer eigenen Bewertung der Bezeichnungen
und Begriffe enthalten, die im Ausgangsverfahren in der Berufungsinstanz noch
im Streit waren. Soweit die von ihm gefundenen Maßstäbe für die
Beurteilung von Äußerungen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Informationshandelns
von den vorstehend dargestellten Grundsätzen abweichen, ist nicht ersichtlich,
dass die Berücksichtigung dieser Grundsätze zu einer anderen Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts geführt hätte. Es besteht deshalb kein
Anlass, neben dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts auch den Beschluss
des Bundesverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision verfassungsrechtlich
zu beanstanden.
102
II. Weitere Verfassungsrechte der Beschwerdeführer sind nicht verletzt. Insbesondere
haben das Oberverwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht, deren Entscheidungen
insoweit allein angegriffen sind, im Zusammenhang mit den Äußerungen
der Bundesregierung, die nach den Ausführungen unter B I im Lichte des Art.
4 Abs. 1 und 2 GG nicht zu beanstanden sind, nicht gegen ihre Verpflichtung verstoßen,
den Beschwerdeführern rechtliches Gehör zu gewähren.
103
Gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte gehalten, die Ausführungen
der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
Dazu gehört auch die Pflicht der Verwaltungsgerichte, Beweisanträge,
die sie für erforderlich und geeignet halten, nicht zu übergehen. Zwar
gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Vorbringen der
Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise
unberücksichtigt bleibt. Die Nichtberücksichtigung eines als sachdienlich
und erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt aber dann gegen Art.
103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE
69, 141 [143 f.]; 79, 51 [62]).
104
Gemessen daran kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen Entscheidungen
des Ober- und des Bundesverwaltungsgerichts auf einer Verletzung des Anspruchs
der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör beruhen.
105
Nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
kam es für die Entscheidung des Berufungsgerichts auf den Inhalt der Akten,
in die die Beschwerdeführer Einsicht nehmen wollten, nicht an. Auch die Tatsachen,
für die die Beschwerdeführer den Richtern die erforderliche Sachkunde
bestreiten, waren danach für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung.
Hinsichtlich der Verwendung des abwertenden Attributs "destruktiv" hat
die Verfassungsbeschwerde schon wegen Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 1 und
2 GG Erfolg.
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III. Das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts ist gemäß §
95 Abs. 2 BVerfGG wegen dieses Verstoßes unter Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht aufzuheben, soweit es dem Antrag der Beschwerdeführer
nicht entsprochen hat, es der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen, in amtlichen
Verlautbarungen jeder Art die Osho-Bewegung und die ihr angehörenden Gemeinschaften
mit den Attributen "destruktiv" und "pseudoreligiös"
zu belegen und weiter öffentlich zu behaupten, die Mitglieder solcher Organisationen
würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert. Der
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision
wird in diesem Umfang gegenstandslos.